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Archäologie im Hegau

 

die Steinzeit um Engen und Aach

 

 

 

Das BRUDERTAL bei Engen im nördlichen Hegau entstand während der letzten Eiszeit vor ca. 20000 Jahren durch einen gewaltigen Schmelzwasserstrom. Abschmelzende Eismassen gruben durch die in großen Mengen mitgeführten Hartgesteine der Alpen eine tiefe OST-WEST verlaufende Rinne in das hier anstehende Juragestein.

Nur die härteren Schwammriffe blieben teilweise stehen. Durch die Erosion wurden dabei an mehreren Stellen der Umgebung alte Karsthöhlensysteme angeschnitten und freigelegt. Dies gilt besonders für die Gnirshöhle im Brudertal und die Aachquelle im Eigeltinger Tal.

Einige dieser Höhlen wurden immer wieder von nomadisierenden Steinzeitmenschen aufgesucht.

In den Jahren 1927 bis 1933 wurden durch Eduard Peters mehrere hundert Kubikmeter Erde aus dem Petersfels-Abri abgegraben und durchforscht. Bei dem Petersfels-Abri handelt es sich um einen natürlichen Felsüberhang.

Der Archäologe G. Albrecht untersuchte von 1974 bis 1976 und im Jahr 1979 ebenfalls die anstehenden Kulturschichten.

Für den Petersfels im Brudertal sind dadurch mindestens 10 Beleghorizonte erkannt worden. Durch die Radiocarbonmethode wurden die Aufenthaltszeiten der Menschen zwischen den Jahren 13.200 bis 11.600 vor Christus bestimmt. Dort wurden im Herbst offenbar hauptsächlich Rentiere in die Enge getrieben und erlegt.

Durch die umfangreichen Ausgrabungen wurden etwa 50000 Silex-Artfakte geborgen. Dabei handelt es sich um Messer, Schaber, Stichel, Bohrer, Pfeil- und Speerspitzen. Auch etwa 2000 Nähnadeln und Ahlen aus Vogelknochen und viele weitere Gebrauchsgegenstände aus vielerlei Knochen konnten geborgen werden.

Harpunen weisen auf Fischfang hin. Speerschleudern waren im Gebrauch. Steinbeile aus zähen alpinen Geröllen waren ebenfalls üblich.

Besondere Beachtung verdienen die ebenfalls aufgefundenen KULTGEGENSTÄNDE aus GAGAT. (Gagat stammt aus den Gesteinsschichten des Schwarzen Jura. Es ist sehr leicht zu bearbeiten und gut polierbar. Man findet es entlang dem Nordrand der Schwäbischen Alb bis zur Wutachschlucht hinunter.) Insgesamt wurden 15 Gagat-Venusstatuetten im Aushubmaterial gefunden. Eine dieser Idolfiguren war aus Rentierknochen hergestellt worden. Eine Kleinplastik stellt einen Käfer dar.

Ein durchaus spektakulärer Fund ist ein Lochstab mit der feinen Gravur von zwei Rentieren. (Ein fast identischer Fund stammt vom "Kesslerloch" im nahegelegenen Thayngen in der Schweiz.)

Kleine Jura-Ammoniten sowie Muscheln aus dem Mittelmeer und Fossilien aus dem Mainzer Becken wurden durchbohrt und als Schmuck getragen.

Aus 1500 kg aufgefundener Knochen von Beutetieren der steinzeitlichen Jäger konnte ein großer Teil der damals vorhandenen Tierwelt erkannt werden. Rentiere, Wildpferde, Steinböcke, Füchse, Schneehasen, Auerwild und Gämsen standen auf dem Speiseplan. Junge Wölfe wurden domestiziert und auch als Fleischreserve gehalten.

Die Existenz von Fischen ist durch die Harpunenfunde belegt, aber auch durch die Gravierung auf einen weiteren Lochstab, der sehr wahrscheinlich bei Kulthandlungen benutzt wurde.

Das Mammut scheint nicht mehr vorhanden gewesen zu sein, ist aber durch Funde von Molaren und Teilen von Stoßzähnen regional belegt. So wurde z.B. in den würmeiszeitlichen Kiesgruben von Steißlingen ein Schädel gefunden. Die Stoßzähne fehlten leider. Dieses Relikt befindet sich in der Obhut des Engener Museums, ebenso wie viele der hier erwähnten Fundstücke.

Durch Pollenanalysen wurden von Paläobotanikern Nachweise für das Vorhandensein von: Preißel-, Heidel-, Rausch- und Moosbeeren, Sanddorn, Wachholder, Kiefern, Birken, Weiden, Löwenzahn, Beifuß, Sauerampfer, Frauenmantel, Mädesüß usw. erbracht.

Vor wenigen Jahren wurde durch das Anlegen eines künstlichen Moores im "Eiszeitpark" Engen das vermutliche eiszeitliche Landschaftsbild mit den damals existenten Pflanzen nachgestellt. Dies gilt auch für die abgeholzten Flächen in unmittelbarer Umgebung der Petersfelshöhle. Pflanzen der Neuzeit werden dort durch ständige Pflegemaßnahmen absichtlich unterdrückt.

In den vorderen Teilen der nahegelegenen GNIRS-Höhle sind ebenfalls klare Nachweise einer gelegentlichen steinzeitlichen Nutzung durch Menschen nachgewiesen worden. Sie waren allerdings nicht dem selben Kulturkreis der Petersfels-Menschen zugehörig. Ein ganz besonders eindeutiges Indiz dafür sind z.B. völlig andere Formen der SILEX-Artefakte.

Ein weiterer Fundplatz der Jungsteinzeit wurde am hundert Meter weiter östlich gelegenen RAPPENFELSEN im Brudertal bekannt.

Das ebenfalls im Brudertal liegende DREXLERLOCH beinhaltet steinzeitliches Fundmaterial, ist aber absichtlich getarnt und zugeschüttet worden. Es soll für spätere verfeinerte Untersuchungsmethoden im unberührten Zustand erhalten bleiben.

Im noch weiter östlich gelegenen Wasserburger Tal haben in diversen Kleinhöhlen ebenfalls Steinzeitmenschen gelebt. Am dort befindlichen Kuchelfels wurden die Überreste von zwei Bestattungen in einer Felsnische geborgen. Höhlenmalereien sind wahrscheinlich vorhanden gewesen, aber durch unsere hiesigen Klimaverhältnisse nirgends erhalten geblieben.

Viele Fundstellen dürften noch im Hangschutt der erwähnten Täler verborgen sein.

In diesem Zusammenhang wäre auch denkbar, dass die heutzutage nur auf Unterwasserwegen erreichbare im Labyrinth des Aachhöhlensystems liegende „geräumige” Seenhalle in der Steinzeit einen trockenen Zugang vom Eigeltinger Tal hatte.

Nachsatz:

Die Jungsteinzeit beginnt vor etwa 40000 Jahren und endet etwa vor 8000 Jahren. Diese Kulturepoche wird von Archäologen „Magdalenien” benannt. (Nach einem zeitidentischen Fundort „La Madeleine” bei Tursac im Department Dordogne in Frankreich.) Der Petersfels ist für dieses Kulturzeitalter der wichtigste Fundplatz in Deutschland.

 

Roland Berka
Engen im Hegau,
Januar 2006

 

Freunde der Aachhöhle e.V.
Höhlentauchgruppe Aachprojekt
Text: Roland B+
Layout: Joachim K+
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Letzte Änderung: 27.05.2018